15.07.2014
Verschiedenes

David Schwerin berichtet über seinen Einsatz beim Super-Series-Turnier

Australian Open 2014

Australian Open 2014
David Schwerin (links) bei den Australian Open im Einsatz im Spiel von Viktor Axelsen (Foto: badmintonphoto.com)

Mit den Australian Open in Sydney fand zum ersten Mal ein reguläres BWF-Super-Series-Turnier außerhalb Asiens und Europas statt. Bis letztes Jahr noch Status "Grand Prix Gold" hat Sydney ab 2014 für die nächsten fünf Jahre den Zuschlag für die höchste Klasse bekommen. Und nicht nur das, mit 750.000 US-Dollar Preisgeld ist man dieses Jahr zudem noch eines der Höchstdotierten.

Anreiz genug für viele große Namen, die Reise nach "down under" anzutreten, auch wenn es terminlich gesehen etwas ungünstig direkt im Anschluss an die Japan und Indonesia Open angesetzt war. Allen voran natürlich Lin Dan, welcher sich nach längerer Pause seit der WM letztes Jahr wieder öfters ins Turniergeschehen mischt und natürlich auch in Sydney der Publikumsmagnet schlechthin war.

Mit dem neuen Status kamen einige Veränderungen im Vergleich zum letzten Jahr. Austragungsstätte war nicht mehr das Messezentrum im Herzen der City in Darling Harbor, da dieses aufgrund des kompletten Neubaus nicht mehr zur Verfügung stand und die Infrastruktur auch nicht groß genug gewesen wäre. Stattdessen wurde das Event in den Olympic Park im Westen der Stadt verlegt.

Doch nicht nur in Bezug auf die Größe und Zuschauerplätze war die neue Location ein Upgrade. Auch die Ausstattung und Einrichtung der ca. 3000-4000 Besucher fassenden Arena wurde Super-Series-tauglich gemacht. Das neue Belichtungssystem sorgte dafür, dass - so wie man es von den All England und mittlerweile auch anderen Topevents kennt - nur die fünf Courts einzeln beleuchtet waren und die Zuschauerränge rundherum abgedunkelt waren.

Alle Schiedsrichterstühle waren bereits ab der Qualifikationsrunde mit Mikrofon ausgestattet, das soundtechnisch so abgestimmt war, dass die Ansagen örtlich dem jeweiligen Court zuzuordnen waren. Auf dem Centercourt war zudem auch ab der ersten Runde das neue Instant Review System "Hawk Eye" in Betrieb.

Vor wenigen Monaten bei Grossereignissen erstmals eingesetzt, bietet das IRS die Möglichkeit wie im Tennis Linienentscheidungen mit modernster Technik zu überprüfen. Jedem Spieler/Paar stehen dabei pro Match zwei "Challenges" zur Verfügung.

Ist die "Challenge" erfolgreich, so bleibt das Recht bestehen, wird die Entscheidung des Linienrichters oder Schiedsrichters aber bestätigt, so verliert der Spieler ein Recht auf Challenge. Die Reviews wurden immer auf der großen Videowand und auf einem Schirm direkt hinter dem Centercourt mit einer Computergrafik gezeigt.

Die gesamte Runde 1 war ich auf dem Centercourt eingesetzt und konnte so ausgiebig Erfahrungen sammeln. Aus meiner Sicht eine absolut positive Sache, die publikumswirksam eingesetzt wurde. Das System nimmt gewaltig Druck weg vom Linienrichter (und Schiedsrichter, der ja die schwere Aufgabe hat, unter Umständen Linienrichterentscheidungen zu korrigieren). Situationen, die ohne IRS durchaus einmal aufgrund strittiger Entscheidungen eskalieren können, sind mit diesem System sofort deeskaliert.

Die Akzeptanz der Spieler was die Entscheidungen betrifft war fast schon unheimlich, wenn man sich die zum Teil Millimeterentscheidungen auf der (zugegeben simulierten) Animation ansieht. Interessant auch zu beobachten, dass von 6 Challenges, die ich an jenem Tag auf dem Feld hatte, lediglich eine einzige erfolgreich war.

Im restlichen Turnierverlauf sah man ein ähnliches Bild, was einerseits ein erstklassiges Gütesiegel für das Niveau der eingesetzten Linienrichter war, andererseits auch wieder unterstreicht, wie oft Spieler (bewusst oder unbewusst) mit den Beschwerden falsch liegen - selbst wenn sie an der Grundlinie hinten nur einen Meter daneben stehen.

Für das Publikum jedenfalls hat das System einen sehr großen Reiz, der Showeffekt einer Challenge kann nicht verleugnet werden und tut dem Spiel durchaus gut, auch wenn es den Spielverlauf etwas verzögert. Für uns Schiedsrichter kommt damit aber noch die zusätzliche Herausforderung mit neuem Vokabular für die jeweiligen Announcements (welches momentan noch ständig optimiert wird) und das Management der Challenges.

Da das IRS noch nicht ins verwendete elektronische Scoringsystem integriert ist muss dies vom Schiedsrichter manuell dokumentiert werden. In Kombination mit neu erlernten Announcements führte das beim ein oder anderen daher durchaus zu etwas Verwirrung. Zudem ist die Praxis einer Challenge auch für Spieler ein Lernprozess, da zum Beispiel der Anspruch auf Challenge unmittelbar nach der Linienrichterentscheidung geltend gemacht werden muss und nicht zu viel Zeit verstreichen darf.

Ansonsten nahm das Turnier den gewohnten Gang, ich durfte insgesamt 17 Spiele verbuchen und war bis einschließlich der Quarterfinals im Einsatz, wo ich als abschließenden Höhepunkt in der ausverkauften Arena das Herreneinzel zwischen Lin Dan und dem Koreaner Son Won Ho leiten durfte. Ab dem Semifinale wurden ausschließlich Schiedsrichter mit BWF-Akkreditierung eingesetzt.

Für die Super-Series-Premiere in Sydney hatten zahlreiche Schiedsrichter weite Wege auf sich genommen, neben meiner Wenigkeit waren Kollegen aus der Schweiz, Dänemark, Slowenien, Indien, Indonesien, Singapur, Hongkong, Neukaledonien, Neuseeland und Australien am Start. Die Referees waren aus Indien und Australien.

Zudem wurde vom anwesenden BWF-Assessor aus England am Freitagvormittag ein Seminar abgehalten. Seit diesem Jahr sind auf allen großen Turnieren Assessoren im Einsatz um speziell die BWF-Schiedsrichter kontinuierlich zu beurteilen - mit dem Ziel einen einheitlichen weltweiten Standard zu gewährleisten.

Abseits des Courts war Sydney ebenfalls wieder eine Reise wert. Auch wenn wir dieses Mal im Olympic Park untergebracht waren - welcher ca. 40 Minuten Zugfahrt vom Stadtzentrum entfernt ist - so hatten wir doch das ein oder andere Mal Gelegenheit für einen Abstecher in die Stadt.

Zudem hatte der Veranstalter am ersten Abend ein Bootsfahrt für Spieler und Offizielle organsiert. Vom Ferry Terminal im Olympic Park ging es bis nach Darling Harbor und ans Sydney Opera House und zurück. Bei sternenklarem Himmel ein absolutes Highlight. Am Samstagabend hatte ich zudem die Gelegenheit zusammen mit einigen Kollegen aus Australien und Neuseeland ein Rugby-Spiel im ANZ Stadium neben an zu besuchen.

Alles in allem war es wieder ein gelungenes Event in Australien, für mich bereits das zweite Jahr hintereinander. Geografisch ist es für mich aus Shanghai natürlich mit "nur" zwölf Stunden Flug etwas angenehmer zu erreichen; für die aus Europa anreisenden Kollegen sind die Strapazen für eine Woche Turnier etwas grösser. Empfehlenswert ist es das Turnier mit etwas Urlaub davor zu kombinieren.
(Bericht: David Schwerin)


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